Die Klimarisiken in Deutschland

Am 14.6. haben das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium die „Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland 2021“ (KWRA) vorgestellt. Dafür wurden insgesamt mehr als 100 Wirkungen des Klimawandels und deren Wechselwirkungen untersucht. Bei 31 davon wurde sehr dringender Handlungsbedarf festgestellt.

Trotz der Dramatik, die in Studien wie diesen steckt, ist die Handlungsbereitschaft der aktuellen Bundesregierung – auch im Hinblick auf die Zeit nach der Bundestagswahl – nach wie vor gering. Vielleicht herrscht dort immer noch die Meinung vor, dass unternehmerfreundliche Politik und niedrige Steuern dafür sorgen können, dass Böden nicht austrocknen oder die Küsten von Umweltkatastrophen verschont bleiben. Sollte die Union auch nach der Bundestagswahl die meisten Abgeordneten im Bundestag stellen, wird es viel Energie brauchen, gegen diese Nicht-Strategie anzugehen. Wenn Annalena Baerbock Kanzlerin wird, kann die Union vielleicht weniger der vielen dringenden Maßnahmen ausbremsen.

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, sagte bei der Veröffentlichung der KWRA: „Zum Ende des Jahrhunderts könnten einige Risiken in Deutschland so stark ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorgemaßnahmen reduziert werden können. Wir müssen jetzt handeln. Dazu gehört die konsequente Umsetzung naturbasierter Maßnahmen, auch beim Hochwasser- und Küstenschutz, wie Auenrenaturierung. Parallel müssen wir die Verschmutzung und Übernutzung von Wasser, Boden und Luft drastisch verringern, und in eine massive Begrünung von Freiflächen und Gebäuden investieren. Landschaften und Städte müssen wir so umbauen, dass sie sich ohne Schäden an Ökosystemen, Häusern und Infrastrukturen wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugen und es wieder abgeben können. Wir müssen asphaltierte Flächen verkleinern oder mit wasserdurchlässigen Baustoffen ersetzen, Freiflächen und Begrünung schaffen und den Flächenverbrauch so schnell wie möglich reduzieren. Viele dieser Anpassungsmaßnahmen stärken nicht nur die Ökosysteme, sondern verbessern zugleich die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen.“

Die KWRA richtet sich vorrangig an die Bundesministerien und -behörden, an Länder und Kommunen, aber auch an Wissenschaftler. Und sie bietet der Öffentlichkeit Informationen zur Verwundbarkeit Deutschlands durch den Klimawandel, bei drei betrachteten Zeiträumen: „Gegenwart“, „Mitte des Jahrhunderts“ (2031 bis 2060) und „Ende des Jahrhunderts“ (2071 bis 2100). Die Analyse beschreibt 5 Cluster mit insgesamt 13 Handlungsfeldern und 102 Wirkungen:

1  Land: Biologische Vielfalt, Boden, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft
2  Wasser: Fischerei, Küsten- und Meeresschutz, Wasserhaushalt/Wasserwirtschaft
3  Infrastruktur: Bauwesen, Energiewirtschaft, Verkehr/Verkehrsinfrastruktur
4  Wirtschaft: Industrie und Gewerbe, Tourismuswirtschaft
5  Gesundheit: Menschliche Gesundheit

Unsere Region wird entsprechend der Analysen insbesondere von einem „sehr starken“ Anstieg der Durchschnittstemperatur betroffen sein, einem „sehr starken“ Anstieg extremer Hitze, einer „starken“ Zunahme von Trockenheit und einer „leichten“ Zunahme von Starkregen.

Die Studie warnt insbesondere davor, dass vergleichsweise geringe Klimarisiken in der Gegenwart zu einer Unterschätzung der langfristigen Risiken führen – und dass frühzeitig hohe Klimarisiko-Bewertungen verdecken könnten, dass die Risikoentwicklung noch weiter vorabschreitet und bis zum Ende des Jahrhunderts noch stark zunimmt. Gegenüber einer Studie von 2015 hat sich bei vielen Klimawirkungen und Handlungsfeldern das Risiko von „mittel“ zu „hoch“ erhöht (so bei den Handlungsfeldern „Landwirtschaft“, „Wald- und Forstwirtschaft“, „Fischerei“, „Wasserhaushalt, Wasserwirtschaft“ und „Menschliche Gesundheit“). Die Wirtschaft ist etwas robuster gegenüber den Risiken als die Natur. Das wiederum zeigt deutlich, wie wichtig es ist, regulierende Maßnahmen zu beschließen. Denn unsere Marktwirtschaft bietet keinen entscheidenden Anreiz, in Schutzmaßnahmen zu investieren, die der Gesellschaft nutzen, aber nicht dem einzelnen Unternehmen.

Hier geht es zur 121 Seiten starken Kurzfassung der KWRA.

Gerhard Seitfudem

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